Das Geheimnis der versteinerten Träume
Zur Vorgeschichte
Träume sind der beste Beweis, das jedem Menschen Phantasie innewohnt. Selbst Personen, die für Phantastereien nichts übrig haben, träumen die verrücktestem Sachen. Das beste Beispiel ist meine Frau. Aus ihren Träumen hätte man schon Dutzende von phantastischen Romanen schreiben können. Vor allem die Horrorelemente in ihren Träumen überraschen mich immer wieder. Als ich an meinem ersten Roman arbeitete, unterschieden sich ihre Lesegewohnheiten von den meinen wie der Tag von der Nacht. Sie die Rationale, ich der Träumer – so waren die Rollen verteilt. Wenn ich mich wieder mal zum Schreiben hinter meinen Computer verkroch, sagte sie immer: »Jetzt geht er wieder spinnen.« Zu dieser Zeit las sie nur Romane, die das gemeine Lesevolk als »realistische Lektüre« bezeichnet, 100% clean, was die Droge der Phantasie anbelangt. Inzwischen hat sich das geändert und sprechende Kleiderständer sind für sie heute völlig normal. Was ist mit ihr passiert? Sie hat festgestellt, dass die Phantastische Literatur weit mehr als »gewöhnliche« High Fantasy ist. In dem Genre gibt es viele exzellente Werke, die selbst erklärte Phantastik-Muffel zu glühenden Anhängern dieser Literaturform gemacht haben. Vielleicht liegt es daran, dass wir in unseren Träumen alle Phantasten sind.
Mich jedenfalls faszinieren Träume. Nicht von ungefähr heißt mein Erstlingswerk Die Träume des Jonathan Jabbok. Seit der Neschan-Trilogie habe ich in fast jedem Roman mehr oder weniger ausführlich über Träume geschrieben. Zunächst gab es für mich daher keinen Grund, dem Thema erneut einen großen Roman zu widmen. Das änderte sich mit einem Gespräch, das ich um das Jahr 2009 herum mit meinem Agenten Roman Hocke über Michael Endes Interesse für das luzide Träumen führte (für weitergehende Infos dazu siehe [1] sowie die unten stehende Infobox). Und so begann die phantastische Geschichte in meinem Kopf zu reifen, in der es um die Traumakademie geht, die im Schloss Salem untergebracht ist, wo wir eigentlich nur ein Eliteinternat für Sprösslinge wohlbetuchter Leute vermuten. Es ist ein Geschichte von Designerträumen, die man aus dem Internet in seine DreamCap downloaden kann, eine Geschichte von einem Globalen Killer, der die Welt bedroht, und natürlich die vom Geheimnis der versteinerten Träume auf den fernen Osterinseln. Vor allem aber ist es die Geschichte von dem jungen Hamburger Traumverwandler Leo Leonidas, der ständig unerwünschtes Strandgut aus seinen Träumen mitbringt, von Orla, dem geheimnisvollen Mädchen aus Illúsion, dem Reich der ungeträumten Träume, und von Refi Zul, der den Menschen den Schlaf raubt und das durchaus in wörtlichem Sinne.
Der Traumschmied
Als Leo in seinem Bett erwacht, liegt neben ihm ein kupferner Wetterhahn. Ist er etwa schlafwandelnd aufs Dach der Kreuzkirche gestiegen? Im Laufe seiner Karriere als Schlafwandler ist er schon in manch bizarre Situation geraten. Mehr als einmal hat er nach dem Erwachen Gegenstände oder sogar Lebewesen gefunden, um die es in seinen Träumen gegangen war. Einmal lag im Tresor seines Vaters sogar ein toter Miniaturdrache – das Tier muss wohl erstickt sein.
Der vermeintliche Kirchenfrevel des Fünfzehnjährigen hat ein Nachspiel. Die Polizei schaltet sich ein. Leo sieht sich schon entweder im Jugendknast oder in der Klapsmühle. Da schaltet sich überraschend ein Retter ein: Doktor Herger Dabelstein, der Leiter der Traumakademie in Salem beim Bodensee. Er hält Leo für einen Traumschmied, jemand, der ganz bewusst eigene Träume erschaffen und womöglich sogar Dinge aus den Träumen in die Welt der Wachenden hinüberbringen kann. Solche Talente werden in der Traumakademie gesucht, die eine Nachwuchsschmiede für YourDream ist. Das ist ein High-Tech-Unternehmen, das maßgeschneiderte Träume herstellt, die man sich im Internet zusammenklicken und dann in seine Schlafkappe – die DreamCap – herunterladen kann. Mit so einem Designertraum erlebt man Stunden oder gar Tage phantastischster Abenteuer, während man in Wirklichkeit nur ein paar Stunden schläft.
Wegen seiner außergewöhnlichen Begabung erhält Leo ein Stipendium für die Traumakademie. Zum Ende der Sommerferien beginnt für ihn das größte Abenteuer seines Lebens. Mit vielen anderen Schülern kommt er in der Traumakademie an, die in einem alten Schloss untergebracht ist, das früher ein Kloster war. Sein neuer Klassenlehrer ist Osmund Okumus, den die Schülter »Okkultus« nennen, weil er ständig geheimnisvoll tut und wie ein Schlossgeist nachts durch die Schule schleicht. Schnell schließt Leo Freundschaft mit seinem neuen Zimmergenossen Benno Kowalski, der bei der Verwendung von Fremdwörtern garantiert immer falsch liegt. Und sein Herz fängt Feuer beim Anblick von Orla Flaith, einem Mädchen, das ebenso geheimnisvoll wie schön ist.
In Salem lernt Leo, wie man seine Träume kontrolliert. Das bewahrt ihn jedoch nicht vor seinen Traummitbringseln, die ihn auch im Internat in Schwierigkeiten bringen. Die Situation spitzt sich zu, als es zu einem mysteriösen Todesfall kommt. Das Opfer muss schlagartig vergreist sein, bevor es das Zeitliche gesegnet hat. Als Hauptverdächtiger wird Leo von der Polizei in ein Zimmer eingesperrt. Er sieht sich schon im Gefängnis sitzen, als plötzlich Orla Flaith auftaucht. Sie wolle ihm helfen, sagt sie. Er müsse fliehen, erklärt sie ihm, denn sein Leben sei in Gefahr. Seine Begabung sei Refi Zul aufgefallen, der über Illúsion, das Reich der ungeträumten Träume, herrsche. Das sei ein unsichtbarer Kontinent, den er seit Jahrhunderten vor der Menschheit verberge. Sie wisse, wovon sie rede, denn sie stamme von dort. Es gebe nur eine Möglichkeit aus dem Zimmer zu entkommen: im Schlaf. Er sei nämlich ein Traumwandler und im Klarträumen könne er Decken und Wände durchdringen wie Nebel. Unter dem Schloss befinde sich ein Traumtor, das ihn nach Illúsion führe. Sie werde ihn begleiten. Zuerst glaubt Leo ihr nicht, doch da sich die Schlinge um seinen Hals immer weiter zuzieht, schluckt er die ihm von Orla angebotenen Schlafpastillen. Tatsächlich weckt der Schlaf in ihm ungeahnte Kräfte und er entkommt durch das besagte Tor ins Reich der ungeträumten Träume. Aber auch im Königreich von Refi Zul ist er nicht sicher. Seine Probleme fangen gerade erst an …
Preise und Nominierungen
- Platz 16 in der Sonderkategorie »Bestes Cover/Umschlag« des LovelyBooks Leserpreis 2011
- Platz 18 in der Kategorie »Kinder-/Jugendbuch« des LovelyBooks Leserpreis 2011
- Vorschlagsliste für den Deutschen Phantastik Preis 2012
Quellen und weiterführende Links
- www.oobe.ch/endebr.htm ; 21.08.2011; Werner Zurfluh – Briefwechsel mit Michael Ende (25.8.1988 - 13.9.1988).
- de.wikipedia.org/wiki/Klartraum ; 21,08.2011; »Klartraum« (Definition, Geschichte, Auftreten und Abgrenzung, Praxis, Hilfsmittel, Luzide Träume in der Populärkultur der Gegenwart, weiterführende Literatur und Links), Wikipedia.
- www.ta7.de/txt/mystik/myst0019.htm ; 21.08.2011; Christian Sy, Anleitung zum Luziden Träumen (bitte beachten Sie auch die aufgeführten Gefahren!).
- de.wikipedia.org/wiki/Scanning-Hypothese ; 21.08.2001; »Scanning-Hypothese«, Wikipedia: »In der Traumforschung wird unter der Scanning-Hypothese der mögliche Zusammenhang zwischen den Blickbewegungen im Traum und den Bewegungen der Augen des Träumenden in der REM-Phase des Schlafs verstanden.«
- www.gutefrage.net/frage/wie-entstehen-traeume-eigendlich ; 21.08.2011; gutefrage.net, Wie entstehen eigentlich Träume? — eine einfach verständliche Erklärung.
- www.zeit.de/2010/13/Schlafwandler ; 21.08.2011; »Traumforschung: Gehirn im Alleingang«, Zeit Online. Aufschlussreicher Artikel über Schlafwandler, Klarträume und mehr.
- de.wikipedia.org/wiki/John_Lilly ; 08.10.2010; »John Cunningham Lilly«; Wikipedia: »(* 6. Januar 1915 in St. Paul, Minnesota; † 30. September 2001 in Los Angeles, Kalifornien) war ein U.S.-amerikanischer Neurophysiologe. Bekannt wurde Lilly zunächst durch seine Forschungsarbeiten über Delfine und deren Sprache. Später versuchte er – hauptsächlich im Selbstversuch – mit Hilfe des Floating, LSD und anderer Drogen wie Ketamin menschliche Bewusstseinsebenen zu erkunden. Als Erklärungsmodell benutzt er dabei den sogenannten menschlichen Biocomputer.« Von Lilly stammt das Eingangszitat des Romans (Quellen siehe dort).
- www.jimrichardsonphotography.com ; 21.08.2011; Jim Richardson Photography; Jim fotografiert u.a. für National Geographic. Er hat auf Flickr auch veröffentlichbare Fotos von der Osterinsel online gestellt (z.B. www.flickr.com/photos/jimrichardsonphotography/3459304110/# ). Thank you Jim for your permission to place your beautiful photo on my website!
- www.salem-net.de/de ; 21.08.2011; Schule Schloss Salem.
- www.schloesser-magazin.de/de/341896.html?image=341973 ; 21.08.2011; Kloster und Schloss Salem.
- de.wikipedia.org/wiki/Reichsabtei_Salem ; 21.08.2011; »Reichsabtei und Schloss Salem«, Wikipedia.
- de.wikipedia.org/wiki/Terra_Australis ; 21.08.2011; »Terra Australis«, Wikipedia: Terra Australis (lat. terra »Erde«, »Land«; australis »südlich«) ist die Bezeichnung eines in der Antike postulierten, hypothetischen Südkontinentes. Im Roman verbirgt sich hinter der alten Überlieferung der unsichtbare Kontinent Illúsion, die Welt der ungeträumten Träume.
- www.alpha64.de/osterinsel.htm ; 21.08.2011; »Geheimnisvolle Osterinsel«. Interessante Infos und Fotos zur Osterinsel. Gemäß dieser Website wird nur ein einziger der bisher (bei Ausgrabungen) entdeckten Moai mit Beinen dargestellt und hat auch sonst von seinen ›Artgenossen‹ abweichende physiognomische Eigenschaften. Er ist der bisher einzige Moai, der einen Kinn-Bart trägt. Ist das Refi Zul, der einsame Wanderer? Siehe dazu auch das Foto des einzigartigen Moai Hoa-haka-nana-ia im Britischen Museum (London) unter www.fotocommunity.de/pc/pc/display/1480415 .
- www.nzvillage.com/newzealand/cms/front_content.php?idcat=79 ; 21.08.2011; NZvillage; Maoris sind die Ureinwohner Neuseelands. Die Websites listet einige Maoriwörter auf
- www.osterinsel.de/08-moai-tukuturi.htm ; 04.02.2013; Dank an Wilhelm Janssen, der mich auf diese Seite von osterinsel.de aufmerksam machte. Sie gibt weiteren Aufschluss über den geheimnisvollen »Tukuturi«, den einzigen Moai mit Beinen.
- de.wikipedia.org/wiki/Hotu_Matua ; 21.08.2011; »Hotu Matua«, Wikipedia: »Hotu Matua ist ein mythischer Häuptling/König (polynesisch: ariki ) aus dem Südost-Pazifik. Die Legende von H. M. behandelt die Besiedlung der Osterinsel und ist das zentrale Epos der Osterinsel-Kultur. Sie ist in mehreren Versionen überliefert, die sich an einem einheitlichen Grundgerüst orientieren, in den Details jedoch z.T. erheblich voneinander abweichen. Der Einstieg in die Legende ist ein Traum, in dem Hau Maka aus dem Lande »Hiva« – er wird als »königlicher Tätowierer« bezeichnet, in Polynesien eine besondere Vertrauensstellung – seine Seele auf eine weite Reise schickt. Sie passiert sieben Inseln, die sich jedoch als wüst und leer herausstellen, bzw. sich hinter Nebelschleiern verbergen. Erst die achte Insel erweist sich als fruchtbar und schön …« Somit ist der Ursprung der Besiedelung von Illúsion also aus einem Traum geboren!
- de.wikipedia.org/wiki/Global_Killer ; 21.08.2011; »Global Killer«, Wikipedia: »Ein Global Killer (engl., deutsch: Globaler Killer) ist ein Objekt, das aus dem Weltraum stammt und dessen Einschlag weltweite Verwüstungen verursacht …«
- travel.webshots.com/photo/2878881210049020797EWluYM ; 21.08.2011; Foto von Te pito o te Henua (»Der Nabel der Welt«) auf der Osterinsel. Das Bild zeigt das Größenverhältnis zum Menschen (vergleiche auch suedamerika.steinhoelzlilauf.ch/chile/nabelderwelt.jpg und www.fotocommunity.de/pc/pc/display/17328262 ).
Luzides Träumen (Klartraum)
In einem luziden Traum – auch Klartraum genannt – ist sich der Träumer bewusst, dass er gerade träumt. Er kann sogar Einfluss auf seine Trauminhalte nehmen. Grundsätzlich besitzt jeder Mensch die Fähigkeit, das Klarträumen zu erlernen. Die meisten haben sogar schon mehr oder weniger intensive Luziden erlebt, wussten also schon einmal, dass sie träumen und haben sich – vielleicht in einer kritischen Traumsituation – selbst zum Aufwachen gebracht. In einem Brief an Michael Ende beschreibt Werner Zurfluh aus eigener Erfahrung die Entwicklung vom Normalträumenden zum luziden Träumer wie folgt:
Erst nach dem bewussten Hineingehen in die Traumszenarien (wobei nicht einmal Luzidität, sondern bloss eine innere Bereitschaft zum Handeln in eigener Verantwortung vonnöten war bzw. eine Abkehr vom Standpunkt des nur Beobachtenden), änderte sich die Situation nach und nach grundlegend. (Werner Zurfluh an Michael Ende, Arosa, 27.-28.08.1988[1])
Als günstiger Zeitpunkt für den Wechsel in den Klartraum gilt die sogenannte Borderland-Phase, so bezeichnet man den Zustand zwischen Wachsein und Schlafen. In seiner »Anleitung zum luziden Träumen« warnt Christian Sy vor der Gefahr des völligen Realitätsverlustes:
Je klarer die luziden Träume werden und je länger die Phasen dauern, desto schwerer kann es werden, zwischen Traum und Alltagswelt zu unterscheiden. Man sollte schon einigermaßen fest in der Alltagswelt stehen, sonst könnte man den Boden unter den Füßen verlieren …
Die Geschichte der Auseinandersetzung mit Klarträumen reicht bis in die Antike zurück. Schon der griechische Philosoph und Universalgelehrte Aristoteles schrieb:
[…] oft nämlich sagt einem, wenn man schläft, etwas in seinem Bewusstsein: Was dir da erscheint, ist nur ein Traum (Aristoteles: »Über Träume (de insomniis)« Abschnitt III, 462a, zitiert nach der Übersetzung von Eugen Dönt: »Aristoteles, Kleine naturwissenschaftliche Schriften«, Reclam, Stuttgart 1997, S. 127)
In der Neuzeit veröffentlichte 1867 der französische Sinologe und Traumforscher Marie Jean Léon le Coq die erste seriöse Arbeit über Träume und Traumkontrolle in der westlichen Welt. Über Jahrzehnte hinweg zeichnete er seine nächtlichen Träume auf und eignete sich die Fähigkeit an, seine Träume zu kontrollieren. In den kommenden Jahrzehnten wurde das luzide Träumen von vielen Forschern zunächst nicht als »richtiges Träumen« anerkannt. Erst ab Ende der 1960er Jahren nahm die Auseinandersetzung mit Klarträumen – auch beflügelt durch die New-Age-Bewegung der 70er und 80er – allmählich Fahrt auf. Unabhängig voneinander gelang es schließlich Stephen LaBerge und Keith Hearne anhand systematischer Versuche mit Hilfe der neu entwickelten EEG und EOG die Existenz von luziden Träumen nachzuweisen.
Quellen und weiterführende Infos: Schriftwechsel zwischen Werner Zurfluh und Michael Ende, Wikipedia, »Anleitung zum luziden Träumen« von Christian Sy.